Symbole der Fastenzeit: die Brezel

Die Brezel – ein Fastengebäck

Brezeln gehören zu den so genannten Gebildbroten, die zu vielen Festen des Jahreskreises Tradition sind. Bekannt sind vor allen Dingen Hefegebäcke zu Ostern, aber auch die zahlreichen Gebäckformen zur Weihnachtszeit. Figürliche Darstellungen (Osterlamm, Klausenmann), Symbole (Lebkuchenherzen) sind ebenso gebräuchlich wie rein ornamentale Werke, beispielsweise aus Hefeteig geflochtene Zöpfe. Auch wenn die Brezel heute kein auf eine bestimmte Zeit beschränktes Backwerk mehr ist, sich gar zu dem bekanntesten und am weitesten verbreiteten Gebildbroten gehört, hat sie doch ihren Ursprung in der Fastenzeit. Dies soll ihr Name belegen, der – ungeachtet regionaler Unterschiede in der Aussprache – auf das lateinische „brachium“ zurückgehen soll, das „Arm“ bedeutet. Gemeint sind die zum Gebet verschränkten Arme, die dieses Brot nachbilden soll. Es handelt sich um eine heute nicht mehr übliche Gebetshaltung, bei der die Arme vor der Brust überkreuzt wurden. Aus dem mittellateinischen „brachiolum“ wurde schließlich das mittelhochdeutsche „prêzel“ und daraus entwickelte sich heutige Wort.

In den Gegenden, in denen die Brezel zum Standardgebäck gehört, haben sich typische Ausprägungen in der Gestaltung herausgebildet. Gerade in Form und Dicke der „Ärmchen“ und des „Bauches“, in der Lage des Knotens, ob gelaugt oder ungelaugt sowie in der Bestreuung mit Salz oder anderen Gewürzen unterscheiden sich die regionaltypischen Brezeln, Brezen oder Brezn. Als christliche Fastenspeise ist sie schon lange bekannt. Eine erste Darstellung findet sich im 12. Jahrhundert. Noch heute gibt es im Schwäbischen die spezielle Fastenbrezel, die ohne Lauge gebacken wird und daher weiß ist. Nicht zu vergessen: Die Brezel ist das traditionelle Zeichen der Bäckerzunft – und damit ein universelles, überall verstandenes Symbol für das Backhandwerk schlechthin.

Der Knoten: Magie des Bindens und Lösens

Doch gibt es da noch eine tiefere Bedeutung in der Brezel und ihrer Form? Natürlich könnte man auch sagen, dass ineinander verschlungene Arme in erster Linie etwas mit Verbundenheit zu tun haben. Es wird ein Knoten gebildet, und Knoten binden etwas. Der Knoten ist ein kulturübergreifendes Symbol mit vielfältigen Bedeutungsschichten. Der Schicksalsknoten steht im Zusammenhang mit dem Schicksalsfaden, wie ihn zum Beispiel die griechischen Moiren knüpfen oder die römischen Parzen. Eine Parallele im nordischen Kulturkreis dazu sind die drei Nornen. Heilige Knoten kennen wir auch vom Gürtel einiger Liebesgöttinnen, zum Beispiel der griechischen Aphrodite. In vielen schriftlosen Kulturen diente das Knoten von Schnüren als Symbolgeste bei einem Vertragsabschluss – und wer kennt nicht den sprichwörtlichen Knoten im Taschentuch, der helfen soll, sich an etwas zu erinnern? In dieser Tradition mögen auch die Gebetsschnüre stehen, aus denen sich später Gebetsketten wie der Rosenkranz entwickelten. Geknotet wurde aber auch um Magie zu betreiben. Der Knoten konnte bösen Zauber abwenden, diente aber auch in der schwarzen Magie Schaden zu wirken. Die Flecht- und Knotenwerke, die in der Ornamentik der germanischen und spätkeltischen Kultur so typisch sind, mögen in der Abwehr von Unheil begründet liegen.

Der Knoten ist also ein altes magisches Symbol, das für das Binden und Lösen steht. Im Knüpfen des Knotens manifestieren wir etwas, lassen es Wirklichkeit werden, im Lösen des Knotens befreien wir die darin gebundene Kraft.

Der Sinn der Leere

Der Sage nach ist die Brezel entstanden, weil ein zum Tode verurteilter Bäcker nur dann begnadigt würde, wenn er ein Gebäck ersänne, durch welches die Sonne dreimal scheinen könnte. Es gelingt ihm – er erfindet die Brezel, inspiriert durch die verschränkten Arme seiner Frau. Doch wie schon die Sage von der Entstehung der Brezel verrät, ist das Bedeutsame an diesem Gebäck gar nicht so sehr, woraus es besteht, sondern woraus es nicht besteht! Die drei Löcher, durch die das Licht scheinen kann, sind der Sinn der Brezel. Damit schließt sich der Kreis in der Bedeutung der Brezel als Gebäck der Fastenzeit: Auch beim Fasten besteht der Grundgedanke darin, etwas wegzulassen, auf etwas zu verzichten. Der Lohn ist größere Klarheit – um mit der Brezelsymbolik zu sprechen: wir werden durchlässiger für das Licht. In religiösen Zusammenhängen ist dieses Licht das göttliche Licht. Doch auch ohne Gott und Religion ist eine der Erfahrungen des Fastens, dass wir empfindlicher werden. Die Sinne werden feiner und das, was uns umgibt, fließt förmlich durch uns hindurch. Wir werden wie zu einem Sieb. Eine passende Metapher im übrigen auch für die Fische-Zeit, in der astrologisch die Fastenzeit fällt, denn diese Transparenz und Durchlässigkeit wird auch den unter diesem Zeichen Geborenen nachgesagt.

Zugleich steckt auch der Knoten im Fasten, denn das gotische Wort „fastan”, von dem sich Fasten ableitet, bedeutet so viel wie „festhalten”. Gemeint ist möglicherweise die Aufmerksamkeit festhalten, auf einen Punkt bringen, sich (streng) beobachten. In der Fastenzeit verbinden wir uns selbst, fühlen uns mit uns selbst verbunden. Wir festigen die Beziehung zu uns selbst. In der altertümlichen Gebetshaltung, bei der die Arme vor der Brust gekreuzt werden und die in der Brezel nachgeahmt wird, kommt diese Besinnung auf sich selbst deutlich zum Ausdruck: wir bleiben bei uns, während das Licht durch uns hindurch fließt. Wir sind verbunden und gelöst in einer Geste.

Die drei Ebenen des Fastens

Die drei Öffnungen der Brezel können natürlich einfach als Sinnbild der Dreifaltigkeit gesehen werden. Doch die Zahl Drei ist, wo immer sie auftaucht, vielschichtiger zu betrachten. Im Sinne der Fastenzeit können wir sie auf die Dreiheit von Körper, Seele und Geist beziehen, die unauflöslich im Menschen miteinander verbunden sind (verknotet sind). Denn Fasten betrifft alle drei Ebenen des menschlichen Daseins, auch wenn die körperliche heutzutage für die meisten im Vordergrund steht. Doch auch das seelische und das geistige Fasten sind wichtige Aspekte der Enthaltsamkeit. Wir befreien uns nicht nur vom körperlichen Ballast, sondern auch vom emotionalen und mentalen. Diese Prozesse lassen sich nicht voneinander trennen.

Das Geheimnis der Brezel. Es reicht tiefer als man auf den ersten Biss denken mag. Und so kann es uns nur freuen, dass dieses vielschichtige Symbol in unserer Kultur so fest verankert ist und uns auf Schritt und Tritt begegnet.

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