Abschied vom Genuss
Die Ursprünge des Karnevals liegen gar nicht so im Dunkeln, wie man meinen möchte. Die verschiedenen Namen dieser närrischen Zeit sind verräterisch genug: „Fastnacht“ – die Nacht oder Nächte vor der Fastenzeit, „Fasching“ – von vaschanc, dem letzten Ausschank vor der Fastenzeit, „Karneval“ – von carnelevare, die Wegnahme des Fleisches. Wie man es dreht und wendet: Immer geht es darum, dass bald die Fastenzeit beginnt und daher noch einmal ordentlich aufgetischt wird. Das hat neben dem Abschied von sinnlichem Genuss auch ökonomische Gründe gehabt. Butter, Milch, Eier, Schmalz – all das war in der Fastenzeit tabu und musste daher so schnell wie möglich aufgebraucht werden, wahrscheinlich der Ursprung der traditionellen Fettgebäcke dieser Zeit wie Krapfen, Berliner, Pfannkuchen, Fasnetsküchle und wie sie alle heißen. Der „schmutzige Donnerstag“, mit dem vielerorts die Fasnacht eingeläutet wird, hat gar nichts mit Schmutz zu tun, sondern leitet sich von „schmotz“ ab, ein alemannisches Wort für Schmalz.
Kurz gesagt: Die verrückte Zeit ist eine heftige Gegenbewegung auf das, was kommen wird: die Zeit des Fastens und der Enthaltsamkeit. Jetzt wird noch einmal „die Sau rausgelassen“ – und das in jeglicher Hinsicht.
Alle Hemmungen fallen
Doch Übertreibungen dieser Art sind weiß Gott keine Erfindung der christlichen Ära. Schon in der Antike waren Phasen des Jahres bekannt, in denen man rituell alle Hemmungen fallen ließ. Dazu gehören die römischen Saturnalien. Dieses Fest wurde in der zweiten Hälfte des Dezembers gefeiert und begann mit einem Opfer vor dem Tempel des Saturn, dem ein rauschendes Gelage folgte, das eindeutig karnevaleske Züge trug. Jegliche Moral wurde tagelang außer Kraft gesetzt. Man trug legere Kleidung, verzichtete auf standesgemäßen Habitus. Herren und Sklaven waren nicht voneinander zu unterscheiden oder tauschten sogar die Rollen. Es wurde gesoffen, gespielt und getanzt.
Der Hüter der Grenze
Dass ausgerechnet Saturn der Schirmherr diese Exzesse war, mag den einen oder anderen verwundern, denn ansonsten ist Saturn eher als der strenge Herr der Zeit bekannt, der das genaue Gegenteil verkörpert, nämlich Zucht und Ordnung, Maß und Verstand. Doch wie so oft ist dies nur die halbe Wahrheit. Richtig ist, dass Saturn auch diese Aspekte verkörpert. Nicht umsonst wurde er mit seinen Attributen Sanduhr und Sense auch zum Vorbild für Gevatter Tod, der uns an unsere Endlichkeit gemahnt. Doch genau hier liegt der Schlüssel zum Rätsel: Das Ende des Lebens ist uns gewiss. Daran gibt es nichts zu rütteln. Es ist die letzte Grenze, die wir überschreiten müssen – ins Ungewisse. So wird Saturn zum Hüter dieser Grenze. Für denjenigen, der am Leben festhält, eine bedrohliche Gestalt. Doch für den, der sein Leben im Hier und Jetzt zu genießen versteht, nur der Übergang in einen anderen Zustand. Hinter Saturn steht das Paradies. Das wussten auch schon die Römer, denn die machten ihn zum Herrscher über das Goldene Zeitalter, in dem für alle Zeiten Überfluss und Frieden herrscht.
Die verrückte Seite des Saturn
In der Astrologie wird gerne das Bild des gestrengen Saturn gezeichnet, der Lehrer, der uns zur Rechenschaft zieht, der Bewahrer von Recht und Gesetz. Kurz: en Spiel- und Spaßverderber. Doch in einer Zeit, als Saturn noch der letzte Planet des sichtbaren Planetensystems war, und damit tatsächlich ein Hüter der Grenze, hast er noch eine zweite Funktion, nämlich diese Grenzen infrage zu stellen und sogar zu sprengen. Dies drückte man dadurch aus, dass man ihn nicht nur dem strengen Steinbock zuordnete, der ziemlich genau den pflichtbewussten und auf Ordnung bedachten Aspekt des Saturns verkörpert, sondern auch dem Folgezeichen Wassermann. In diesem Zeichen fällt das – gefühlte – Ende des Winters. Auch wenn Fasching nicht immer in die Periode des Wassermanns fällt, trägt die Idee dieses Tierkreiszeichens genau die der verrückten Zeit in sich: Umbruch, Umkehr der Ordnung, verkehrte Welt. So beherrschte Saturn lange Zeit eben beide Aspekte zum Thema Ordnung: ihren Erhalt und ihren Umsturz. Erst nach der Entdeckung des Planeten Uranus Ende des 18. Jahrhunderts wurde Saturn die Herrschaft über den Wassermann entzogen, zumindest astrologisch. In Wirklichkeit hat er diese Herrschaft nie aufgegeben. Im Fasching lebt die Erinnerung an den Gott des Goldenen Zeitalters weiter …
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