Das Geheimnis des Adventskranzes

Die Ankunft des Lichtes

Das lateinische Wort „Adventus“ bedeutet Ankunft. Die Adventszeit versteht sich daher als Zeit, sich auf die Ankunft des Erlösers vorzubereiten. Mit dieser besonders frommen Zeit beginnt das Kirchenjahr. Jetzt sollten Andacht und Besinnung in die Häuser der Menschen einkehren, so der Gedanke. Die Zeit des Festes und des Tanzes ist vorbei. Nun trifft man sich mit den Nachbarn zum allabendlichen Spinnen in den Spinnstuben, zum Weben und Handwerken – und natürlich um die Weihnachtsvorbereitungen zu treffen.

Der Adventskranz – kein alter Brauch

Das Symbol der Adventszeit ist der Adventskranz. Ganz traditionell wird er aus grünen Zweigen einer Tanne geflochten und mit roten Kerzen geschmückt, vier an der Zahl. Dann schmückt man ihn mit roten und goldenen Bändern. An jedem der vier Sonntage vor Heiligabend am 24. Dezember wird erst eine, dann eine weitere Kerze entzündet.

Advent, Advent,
ein Lichtlein brennt.
Erst ein, dann zwei,
dann drei, dann vier,
dann steht das Christkind vor der Tür.

Der Brauch dieses Kranzes ist nicht mal 200 Jahre alt. Im Jahre 1838 beschrieb der Begründer der Inneren Mission, der Hamburger Johann Heinrich Wichern, in seinem Tagebuch, wie er jeden Tag im Advent um die Mittagszeit eine Kerzenandacht gehalten habe. Von der Mittagsstunde wurde diese Andacht bald in die Dämmerung verlegt. Jeden Abend wurde eine weitere Kerze entzündet, bis am Heiligen Abend alle Kerzen brannten.

Eine protestantische Angelegenheit

Im so genannten Rauhen Haus vor den Toren des damaligen Hamburgs wurde die Urform des Adventskranzes aufgehängt. Es war ein Wagenrad, auf das je nach Dauer des Advents 18 bis 24  kleine rote Kerzen und 4 größere weiße Kerzen für die Adventssonntage montiert waren. Dieser Kranz hing im Betsaal und war demnach eine protestantische Erfindung, denn das Rauhe Haus war eine evangelische Einrichtung, die Wichern im Jahre 1833 gründete. In der ehemaligen Bauernkate richtete er eine Art Rettungsdorf für „verwahrloste“ Kinder ein. Es sollte daraus eine christliche Kolonie werden, in der weniger privilegierte Kinder und Jugendliche in Wohngruppen zusammenlebten, Erziehung und Bildung genossen und auch die Gelegenheit hatten, eine Lehre zu besuchen. Als Stiftung „Das Rauhe Haus“ existiert sie bis heute.

Die Adventskränze, wie wir sie heute kennen, sind vereinfachte Formen dieses auch als Wichernkranz bekannten Kerzenrades. Doch der Brauch fand bald auch in katholischen Gegenden Anklang. Allerdings dauerte es einige Zeit, bis ein solcher Kranz in einer katholischen Kirche zu finden war. 1925 wurde der erste Adventskranz in einer katholischen Kirche in Köln aufgehängt, 1937 in München, und zwar in Sankt Sylvester.

Ein Sinnbild der Hoffnung

Die Symbolik des Adventskranzes ist universell, daher lässt sie sich von allen religiösen und spirituellen Standpunkten aus verstehen. Die Zunahme des Lichtes von Woche zu Woche ist ein Gegenpol zur tatsächlichen Abnahme des Lichtes von Tag zu Tag durch die sich Richtung Wintersonnenwende verkürzenden Tage. Aus christlicher Sicht ist dies Ausdruck der steigenden Erwartung auf die Geburt des Heilands, dem „Licht der Welt“. Doch auch in anderen Kulturen und Traditionen ist diese Symbolik verständlich, denn während die Dunkelheit um uns herum zunimmt, können wir mit jedem Licht ein Zeichen der Hoffnung auf einen Neuanfang setzen.

Die Symbolik des Adventskranzes

Diese Symbolik wird auch durch die Kreisform des Kranzes unterstützt. Kränze wurden schon zuvor aus Stroh und anderen Materialien geflochten und an Haustüren aufgehängt, damit sie Unheil abwenden und Segen bringen. Der Kreis ist ein altes Menschheitssymbol für den Kreislauf des Lebens. Er hat keinen Anfang und kein Ende. Daher steht er für den Zyklus aus Werden und Vergehen. So wie wir jetzt das Vergehen des Lebens im Winter erleben, werden wir auch wieder seine Rückkehr im Frühling sehen. Weil der Kranz zudem aus immergrünen Zweigen besteht, wiederholt sich dieser Gedanke, denn Grün steht für die Fruchtbarkeit. Das Leben wird den Winter überdauern, so die Botschaft. Rote und goldene Schleifen stehen für das Licht. Gerade die Farben Grün und Rot sind die klassische Weihnachtskombination: Leben und Licht.

Licht in der Dunkelheit

Die vier Kerzen gehen auf die vier Adventssonntage zurück. Diese wiederum wurden im 6. Jahrhundert festgelegt und sollten auf die viertausend Jahre verweisen, die die Menschheit nach damaliger Auffassung nach dem Sündenfall auf den Erlöser warten musste. Doch auch sie kennen unterschiedliche Interpretationen. Sie können für die vier Himmelsrichtungen stehen, für die vier Elemente, die vier Jahreszeiten. Natürlich ist es auch ein Kreuzsymbol.

Die Zahl Vier ist symbolisch die Zahl der Ordnung und wird gerne verwendet, wenn es darum geht, eine hinter den Dingen liegende Struktur zu beschrieben, sei es räumlicher oder zeitlicher Natur. So gesehen schaffen die vier Kerzen ein Gefühl dafür, dass trotz Dunkelheit und der mit ihr einhergehenden Unordnung immer noch eine Ordnung existiert.

Die geheime Mitte des Kreises

Eine Variante des Adventskranzes ist in Irland und auch in England zu finden. Dort gibt es nicht nur vier, sondern fünf Kerzen. Die fünfte steht in der Mitte des Kranzes und wird am Heiligen Abend selbst entzündet. Damit bildet der Adventskranz das typische irisch-keltische Kreuz nach, bei dem die Arme des Kreuzes von einem Kreis umgeben sind. Die Mitte des Adventskranzes besitzt demnach eine geheime Bedeutung. Sie ist das fünfte Element, die Quinta Essentia, die Quintessenz, die geistige Dimension, die im Licht sichtbar wird.

Aus vorchristlicher, keltischer Zeit mag überhaupt der Gedanke stammen, etwas Grünes zum Schutz des Hauses zu einem Kranz zu binden. Die Kelten umgaben ihre Häuser gerne mit Stechpalme (holly) und Efeu (ivy). Da diese im Winter grün blieben, bildeten sie in der kalten Jahreszeit einen Schutzwall des Lebens um die Wohnstatt. In einem verkürzten Sinn erfüllt ein Kranz an Türen und ein mit Stechpalme und Efeu umkränztes Fenster einen ähnlichen Zweck. In Irland gehört das Aufhängen des Weihnachtskranzes zum festen Bestandteil der Tradition, ebenso wie das Aufstellen einer Kerze im Fenster.

Das Paradeisl und das Legerl

Ein Vorläufer des Adventskranzes ist das altbairische Paradeisl. Bei diesem werden vier rote Äpfel mit oft kunstvoll geschnitzten Haselstöcken so zusammen gesteckt, dass eine Dreieckspyramide entsteht. Auf jedem Apfel steckt eine Kerze und manchmal auch ein Tannenzweiglein. Zuerst werden die drei unteren Kerzen Sonntag für Sonntag entzündet. Die Kerze auf der Spitze kommt am letzten Adventssonntag dran. Geschmückt wird das Paradeisl mit Plätzchen und Nüssen. In manchen Gegenden Bayerns stand unter der Pyramide ein Nikolaus aus Hefeteig oder Schokolade. Dann nannte sich das Gebilde auch „Klausenbaum“. Weniger kunstvoll ist das Legerl, das im Bayerischen Wald beliebt war: Ein Teller wird mit Tannenzweigen umkränzt, mit Moos ausgepolstert und dann mit Kerzen besteckt. Äpfel, Nüsse und Plätzchen vervollständigen das Bild.

Lichtpyramiden gab es schon vor der Einbürgerung des Christbaums und waren vor allen Dingen im 18. Jahrhundert beliebt. Besonders ausgetüftelte Versionen wurden im Erzgebirge entwickelt, die als Weihnachtspyramiden Weltruhm erlangt haben.

Der Adventskranz ist so gesehen ein zwar ursprünglich christliches Symbol, spricht uns aber in seiner Symbolik ungeachtet unserer eigenen religiösen Orientierung an, denn Symbolik berührt jeden Menschen auf einer universellen, archetypischen Ebene.

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